Haben Sie es nicht auch erlebt? Eine Veranstaltung, die in Präsenz geplant war, ist pandemiebedingt entweder ganz ausgefallen oder wurde auf ein virtuelles Format übertragen. Auch wir standen in unserem Verbundprojekt „Studienindividualisierung durch digitale, datengestützte Assistenten“ (SIDDATA), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde, im Frühjahr 2020 vor der Frage, wie wir unser Workshopkonzept, das wir für mehrere Fokusgruppengespräche mit Studierenden zwecks Evaluation des digitalen Studienassistenten geplant hatten, so nachjustieren können, dass es virtuell umsetzbar ist. Das war nicht so ganz einfach, denn unser Konzept basierte auf dem Design Thinking-Ansatz und hatte zum Ziel, innovative Ideen für den Prototypen zu generieren und geeignete Lösungen u. a. für eine Weiterentwicklung zu finden. Entsprechende Workshops werden üblicherweise in Präsenz durchgeführt, sodass der Prototyp durch ein visuelles und haptisches Objekt symbolisiert werden kann. Zum Einsatz gelangen dabei verschiedenste Materialien von LEGO bis PlayMais. Einer engen Interaktion zwischen den Teilnehmenden im physischen Raum kommt besondere Bedeutung zu: Die Teilnehmenden müssen ein gestelltes Problem fühlend, d. h. durch haptische Prozesse lösen und können ihrer Kreativität dabei freien Lauf lassen.
Da wir die Teilnehmenden nicht, wie beabsichtigt, alle im gleichen Raum zusammenbringen konnten, haben wir uns ins Unbekannte vorgewagt und den Design Thinking-Ansatz als Kreativtechnik in ein virtuelles Format übertragen. Dabei haben wir unter anderem mit Personae gearbeitet und interaktive Tools genutzt. Bei der Persona-Methode handelt es sich um eine von Alan Cooper entwickelte Idee der Zielgruppenanalyse. [1] Aus anwender:innenzentrierter Sicht wird durch diese Methode ein vertieftes Hineinversetzen in potentielle (Software-)Nutzende ermöglicht. Bei der Entwicklung unseres digitalen Studienassistenten SIDDATA war unser Ziel, durch eine hohe Nutzendenzahl möglichst viele Studierende im Studium zu begleiten und sie dabei zu unterstützen, das Studium individueller und eigenaktiver zu gestalten. Um die heterogene Studierendenschaft gut abzubilden, haben wir im Vorfeld fünf Personae entwickelt, die alle Studienphasen entlang des Student-Life-Cycle darstellen sowie die Heterogenität der Studierendenschaft reflektieren, indem auch nicht-traditionelle Studierende, Studierende in einer Transitionsphase oder auch internationale Studierende berücksichtigt wurden.
Insgesamt zeigte sich in unseren Workshops, dass es den Anwesenden mithilfe der Persona-Methode einfacher fiel, Ideen im Hinblick auf den innovativen Charakter und technische Aspekte des Studienassistenten zu generieren und zu bewerten. Um die Vielzahl der durch diese Methode generierten Ideen auf eine überschaubare Anzahl zu reduzieren, nutzten wir die AU-HOW-NOW-WOW-Matrix, die vom belgischen Center for Development of Creative Thinking (cocd) entwickelt wurde. Durch die Verwendung dieser Matrix wollten wir sicherstellen, dass keine der entwickelten Ideen übergangen wird. Alle Ideen werden den einzelnen Quadranten der Matrix zugeordnet, die die Dimensionen „Aufwand“ (hoch/gering) und „Originalität“ (hoch/gering) abbilden.
Unserer Erfahrung nach weisen die eingesetzten Methoden erhebliche Vorteile und eine große Wirksamkeit auf. Mit den richtigen Methoden und Tools und einer guten Vorbereitung lässt sich auch ein interaktives Format wie Design-Thinking virtuell durchführen. Welchen positiven Effekt die eingesetzten Methoden im Hochschulkontext erzielen, können Sie in dem jüngst erschienenen Forum:Hochschulentwicklung 2|2022 lesen.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!
[1] Cooper, Alan (1999): The Inmates are Running the Asylum. Why High-Tech Products Drive Us Crazy and How to Restore the Sanity. Indianopolis: SAMS.