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Digitalisierung, Studium und Lehre, Wissenschaftspolitik

Auf dem Weg zum European Digital Education Hub

Von Juni bis September 2020 führte die EU-Kommission eine öffentliche Befragung interessierter BürgerInnen und Institutionen durch, um deren Einschätzungen der durch die Corona-Pandemie bedingten Umstellung von herkömmlicher auf digitalisierte Lehre zu erheben. Der gesammelte Input wurde dann bei der Entwicklung des „Digital Education Action Plan (2021-2027)“ berücksichtigt, der am 30. September 2020 als Nachfolger eines ersten „Action Plans“ von 2018 veröffentlicht wurde und der ein Teil der Strategie „A Europe fit for the digital age“ der Kommission ist.

Die Covid-19-Pandemie hat dazu geführt, dass der digitale Wandel im Bildungssektor, der in den vorangehenden Jahren vergleichsweise langsam verlaufen war, deutlich an Dynamik gewonnen hat. Nach Einschätzung der EU-Kommission machten die Hochschulen im Bereich des digitalen Wandels innerhalb weniger Wochen und Monate einen großen Schritt nach vorn. Mit der nun vorliegenden Strategie soll das Momentum der pandemiebedingten Veränderungen genutzt werden und die in großer Eile umgesetzten Veränderungen in langfristig wirkungsvolle und durchdachte Konzepte überführt werden. Um alle an diesem Fortschritt teilhaben zu lassen, kommt Inklusion und Gleichberechtigung (u. a. von Frauen) in der Planung besondere Bedeutung zu. Die EU-Kommission will dabei vor allem eine koordinierende und unterstützende Rolle einnehmen, um Europa eine gemeinsame digitale Zukunft im Bildungsbereich zu ermöglichen.

Der „Digital Education Action Plan“ hat zwei Schwerpunkte: Es soll ein hochfunktionales digitales Ökosystem in allen Bildungsbereichen geschaffen werden, dass die Umsetzung umfassender digitaler Lehr- und Lernmethoden ermöglichen und langfristig sichern soll. Dies erfordert laut Kommission eine gut ausgebaute technische Infrastruktur sowie eine allgemein bessere Ausstattung, die laut Ratsempfehlung bis Ende 2021 auch im primären und sekundären Bildungssektor realisiert werden sollen. Das Lehrpersonal soll weitergebildet werden, um größere Sicherheit im Umgang mit neuen Technologien und Lehrformaten zu erlangen. Dafür sollen beispielsweise die „Erasmus Teacher Academy“ und weitere Kooperationsprojekte verstärkt zum Tragen kommen. Auch wird angestrebt, bereits bestehende Bildungsangebote und Kooperationen auf inhaltlicher Ebene zu verknüpfen, sodass unter anderem eine gemeinsame europäische Plattform zur Bereitstellung zertifizierter digitaler Inhalte entstehen soll. Ergänzend soll ein „Content Framework“ Richtlinien für einzelne Bildungssektoren bereitstellen und den Übergang in das digitale Bildungszeitalter unterstützen.

Der zweite Schwerpunkt ist das Stärken von „digital skills“ und weiteren Fähigkeiten, die der digitalen Transformation dienlich sind. Bereits ab einem frühen Alter sollen in den Schulen grundsätzliche Skills vermittelt werden, darunter technische und methodische Fähigkeiten (z. B. die kritische Reflexion auf Falschinformationen) sowie ein Grundverständnis moderner Technologien wie Künstliche Intelligenz. Entsprechende Fähigkeiten sollen durch ein möglichst breit anerkanntes Zertifikat dokumentiert und durch EU-weite Studien (ICILS) überprüft werden, um Wissenslücken in der Ausbildung effektiver schließen zu können. Bis 2030 soll der Anteil der 13- bis 14-jährigen, die Defizite bei grundsätzlichen digitalen Skills aufweisen, in der EU auf unter 15 Prozent sinken.

Das Ziel der EU-Kommission besteht darin, den digitalen Wandel in allen Bildungsbereichen koordiniert und nach gleichen Standards und Richtlinien in allen EU-Mitgliedsstaaten zu forcieren, um auf das digitale Zeitalter vorbereitet zu sein. Die Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, die maßgeblichen Institutionen und Organisationen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene besser zu vernetzen und die Bildungssysteme in allen Bereichen nachhaltig auf den bevorstehenden Wandel vorzubereiten. Zu diesem Zweck soll ein „European Digital Education Hub“ initiiert werden, der als Thinktank die eben genannten Akteure vernetzen soll. Neben qualitativ hochwertigen Inhalten und Tools stehen dabei auch Aspekte wie Gleichberechtigung und Inklusion im Vordergrund.

Für deutsche Hochschulen dürften in den beabsichtigten Maßnahmen zur Unterstützung der innereuropäischen Vernetzung Chancen liegen. Beispielsweise könnten sich Bildungsinstitutionen und -akteure am geplanten Thinktank beteiligen oder über Erasmus-Kooperationsprogramme aktiv am Wandel teilhaben. Wie wirksam sich die Absichten der Kommission umsetzen lassen, müssen kommende Jahre zeigen. Klar ist jedoch, dass der Zeitpunkt für einen breiten Impuls für eine gemeinsame digitale Zukunft in Europa bestens gewählt ist. Die im Krisenmodus umgesetzten Digitalisierungsmaßnahmen an Hochschulen in ganz Europa bieten einen günstigen Hintergrund für eine Initiative, die zu einem nachhaltigen digitalen Wandel im Bildungssektor beitragen will.


Bildquelle: Pixabay/Capri23auto


Dr. Klaus Wannemacher