Am 04. Mai 2021 fand die diesjährige Frühjahrstagung des Fachbeirats Hochschulbau von HIS-HE im Digitalformat statt. Der Schwerpunkt lag auf dem Thema „Neue Entwicklungen im Hochschulbau“ und es kamen interessante Gäste zu Wort, über deren Vortragsinhalte ich an dieser Stelle gerne berichte.
Aber zunächst einmal zum Hintergrund: Der Fachbeirat Hochschulbau begleitet uns bereits seit 1981 (zunächst als „Arbeitskreis Nutzung und Bedarf“). Mitglieder des Gremiums sind Vertreter:innen der Wissenschafts- und Finanzministerien der Länder, der Länderbauverwaltungen, des Wissenschaftsrats, des BMBF wie auch Kanzler:innen und Dezernent:innen für Gebäudemanagement als Hochschulvertreter:innen, Vertreter:innen der außerhochschulischen Forschungsorganisationen sowie des Verbandes der Universitätsklinika. Der Fachbeirat befasst sich umfassend mit allen hochschulpolitischen Fragen des Hochschul- und Wissenschaftsbaus, zu denen auch die Nutzung und der Betrieb von Hochschuleinrichtungen sowie Planungs‐ und Finanzierungsverfahren gehören.
Die diesjährige Frühjahrstagung widmete sich in mehreren Beiträgen also neuen Entwicklungen im Hochschulbau, die von Frau Christiane Gerlach-Scheerer, Chefarchitektin der EU Kommission, Amt für Gebäude, Anlagen und Logistik in Brüssel (OIB) mit einem Vortrag zum Thema „Green Deal“ – Baubezogene Initiativen der EU-Kommission, Neues Europäisches Bauhaus eröffnet wurde. Der von der EU-Kommissionspräsidentin im Dezember 2019 ausgerufene Green Deal hat zum Ziel, die großen Zukunftsthemen Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftswachstum für die 27 Länder der Europäischen Union zusammenführen, um bis 2030 die CO2-Emission in der EU um 55 % (bezogen auf 1990) zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden. Teil des Green Deal ist die Förderung der Renovierung öffentlicher Gebäude, verbunden mit der Idee der Umsetzung umfassender Gestaltungskriterien eines Neuen Europäischen Bauhauses (NEB). Ein wesentlicher Aspekt für die CO2-Reduktion sind dabei die öffentlichen Gebäude, die für 36 % der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich gemacht werden. Auch die Hochschulen können von diesem EU-Programm profitieren, im Rahmen der Umsetzung einer verbesserten Energieeffizienz bei der Modernisierung ihrer Gebäude und durch eine Teilnahme am Wettbewerb um die Förderung von Pilotprojekten, die im Zuge des Deals ausgeschrieben werden. Die Chancen auf eine Umsetzung steigen dabei, wenn ein Projekt als Teil einer gemeinsamen nationalen Strategie präsentiert wird. Studierende spielen hier eine wichtige Rolle bei der Ideenfindung und sollten von den Hochschulen entsprechend unterstützt werden.
Im Anschluss berichtete Frau Julia Erdmann, Architektin, Städteplanerin und Geschäftsführerin von JES Socialtecture, über die Möglichkeiten der Verbindung von Hochschule und Stadtgesellschaft. Dabei griff auch sie die Initiative des Neuen Europäischen Bauhauses auf und warb dafür, mit Kreativität und Kraft in die Campus- und Stadtplanung zu gehen. Hierbei sei ein ganzheitlicher Blick auf Orte und Akteure unerlässlich, wobei vor allem Bauen und Nutzung zusammen gedacht sowie Kultur und Gestaltung einbezogen werden müssten. So ist auch der von Frau Erdmann entwickelte Begriff der Socialtecture zu verstehen, als „Diplomatie“ zwischen Investor:innen, Entwickler:innen, Stadt, Verwaltung und Endnutzer:innen. Was für die sich wandelnde Stadt gilt, gilt dabei auch für den Campus: Gewünscht werden funktionsgemischte und lebenswerte Areale und zwar in Verbindung zu und mit der Stadt. Am Beispiel des Projektes Campus DESY Hamburg machte Frau Erdmann deutlich, welch große Rolle eine Einbeziehung der Nutzenden in den Planungsprozess spielt. Bezüglich der Frage, wie der Campus DESY zukunftsfähig und zu einem attraktiven Forschungscampus mit Modellcharakter weiterentwickelt werden könne, ergab eine Befragung von 2.000 DESYanern, dass nicht – wie ursprünglich geplant – ein Besucherzentrum benötigt würde, sondern ein Treffpunkt. Zentrale Bedeutung haben demnach vor allem Austausch und Vernetzung sowie die Übertragung von Vernetzung in Räume. Wichtig war Frau Erdmann zudem, zu berücksichtigen, ob und wie 60er Jahre-Gebäude nachhaltig zu zukunftsfähigen Arbeitswelten umgebaut werden können.
Im Anschluss an Frau Erdmann referierte Dr. Markus Zanner, Gründungs-Kanzler der TU Nürnberg über das Thema Campusplanung an der neuen TU Nürnberg. Hierbei ging er vor allem auf Standort, Vorplanungen und erste Realisierungsschritte ein. Am Strukturplanungsworkshop der TU Nürnberg war auch ich im September 2020 beteiligt und habe an dieser Stelle ausführlich berichtet. Mittlerweile ist die Auswahl des Architekturbüros für die Strukturplanungen abgeschlossen, so dass nachfolgend die Verortung der verschiedenen Nutzer:innen und Nutzungen auf dem Quartier erarbeitet werden kann. Zeitgleich beginnen die Planungen für Verfügungsgebäude und Gründungsgebäude, welche u. a. die Infrastruktur für die ersten Wissenschaftler bereitstellen werden.
Nach der Mittagspause erhielt dann ich selbst die Gelegenheit, die Inhalte unserer aktuellen Publikation Raum für Zukunftskompetenzen, über die ich bereits auch hier im Blog ausführlich berichtet habe, vorzustellen. Dabei steht die Idee im Vordergrund, dass die Struktur und Ausgestaltung von Lehr- und Lernräumen direkt und indirekt Einfluss nehmen auf die Art und Weise wie in den Räumen gelernt und gelehrt wird und dass sich vor allem im Rahmen kompetenzorientierter Lehre der Einsatz eines passgenauen und breit gefächerten Raumportfolios förderlich auswirken kann.
Dazu passend folgte der Beitrag von Prof. Dr. Florian Grote, Head of Product Management der CODE University of Applied Sciences, mit dem Titel Innovationspraxis: CODE University. Herr Grote stellte die zugrunde liegende Idee, die daraus folgenden Arbeitsweisen und das Raumkonzept seiner Hochschule vor, die auch meine Kollegin Joana Pfeil und ich im Oktober 2020 persönlich besuchen durften und über die ich ebenfalls hier im Blog berichtet habe.
Im Anschluss an den Vortrag von Prof. Grote folgte dann ein reger Austausch zu verschiedenen Fragen des Hochschulbaus.
Mein Resümee: Es war wieder einmal eine sehr interessante und lehrreiche Veranstaltung, die die Verbindungen von Wissenschaft und Gesellschaft ebenso verdeutlicht hat wie den neuen Weg, den EU-Kommission, Kommunen, Hochschulen und Bürger:innen gemeinsam gehen können, um Städte nachhaltig, lebendig und lebenswert zu machen.