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Studium und Lehre, Veranstaltungen

Vier transformative Ansätze: An der Zukunft der Hochschulen bauen

Welche Zukunft erwartet die deutschen Hochschulen und für welche Herausforderungen werden sie Lösungen bieten müssen? Das sind Fragen, auf die beispielsweise Simulations-, Machbarkeits-, Delphi- und Foresight-Studien oder das Theory of Change-Konzept Auskunft zu geben versuchen. Auch das HRK-Modus-Projekt hat sich jüngst dieser Fragestellungen angenommen. Im Rahmen der kollaborativen Tagung „Zukunft bauen: Werkstatt für Mobilität und Durchlässigkeit“ wurden am 7./8. November 2024 am Mediencampus Villa Ida in Leipzig mögliche Zukünfte der Hochschulwelt beleuchtet. Bei der Tagung, die von dem Journalisten, Politikwissenschaftler und Volkswirt Jan-Martin Wiarda moderiert wurde, sollten Entwicklungshorizonte erarbeitet und potenzielle Auswirkungen auf Mobilität, Durchlässigkeit, Anerkennung sowie Anrechnung im Studium betrachtet werden.

Professor Ulrich Bartosch, Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz, beschrieb in einem einführenden Statement, dass Fragen der Mobilität und Durchlässigkeit zentral für die Hochschulbildung seien und zeigte sich zuversichtlich, dass die Hochschulen passgenaue Antworten in diesem Bereich finden werden. Allerdings machte er auch deutlich, dass gerade die Themen Anerkennung und Anrechnung Hochschulen künftig unverändert vor Herausforderungen stellen werden.

Im Anschluss an die einführenden Worte Herrn Bartoschs und des Projektleiters von HRK-Modus, Wilhelm Schäfer, verteilten sich die Tagungsteilnehmer:innen auf verschiedene kollaborative Werkstätten, die zu vier Szenarien einer möglichen Hochschulzukunft angeboten wurden. Die folgenden vier Szenarien waren im Vorfeld in einer Modus-Zukunftswerkstatt „Entwicklungshorizonte von Anerkennung und Anrechnung an Hochschulen“ mittels PESTEL-Methode entwickelt worden:

  • Szenario 1: „Datenverbund Plus“
  • Szenario 2: „System für Lebenslanges Lernen“
  • Szenario 3: „Kundenorientierung im Fokus“
  • Szenario 4: „Die entfesselte Hochschule“.

Der Leipziger Tagung dienten sie als Impulse für die Werkstattphasen, die an beiden Tagen in drei Durchgängen durchgeführt wurden, einer Phase des Sichtens des Szenarios sowie einer Phase des Herausarbeitens von Chancen und Risiken samt des Identifizierens strategischer Überlegungen für die Zukunft. Im Anschluss an die ersten beiden Werkstattphasen sollten in einer dritten Phase konkrete Maßnahmen zur Vorbereitung auf das jeweilige Zukunftszenario im Sinne von Baumaterialien für die Zukunft gesammelt werden, die dann später in einem fiktiven „Baumarkt“ an einer Wand im zentralen Veranstaltungsraum zusammengetragen und geclustert wurden.

In Szenario 4 „Die entfesselte Hochschule“ ging es beispielsweise um die Zukunft einer ökonomisch konsolidierten Hochschule mit ausgelagerten administrativen und zentralen Diensten, welche anhand des Beispiels einer Technischen Universität Bergstadt des Jahres 2035 diskutiert wurde. Die fiktive Kleinstadt-Universität beherbergt 217 Studiengänge sowie 18.000 Studierende und ist Mitglied einer EU-Alliance for Research. Sie ist ganz auf das Kerngeschäft „Wissen schaffen, Wissen vermitteln“ ausgerichtet, wodurch Studium, Lehre und Forschung in den Fokus rücken. Als anschauliche Metapher für diese Hochschule prägten die Teilnehmer:innen des von Julia Ernst und Ann-Christine Birke geleiteten Workshops das Bild eines „kleinen Sportwagens“. Im Verlauf der zum Teil recht kontroversen Diskussionen in den Werkstattphasen wurden vielfältige Chancen einer stärkeren Spezialisierung sowie des Einzugs neuer Qualifikationsmodelle identifiziert. Als Risiko wurde erörtert, dass sich bei der Umstellung auf die Zukunftsvision eine Überforderung des Systems sowie ein „Hängematten-Effekt“ einstellen könnten, da absehbar nicht alle Hochschulangehörigen den Wandel aktiv mitgestalten wollten.

In seinem Keynote-Vortrag zum Kern der hochschulischen Bildung hob Professor Bartosch die eminente Bedeutung der wissenschaftlichen Bildung in Zeiten einer zunehmenden Skepsis, Anfechtung und Delegitimierung von wissenschaftlichen Erkenntnisprozessen hervor. Zum Abschluss des ersten Veranstaltungstags wurde in einer Fishbowl-Diskussion unter der Leitung von Jan-Martin Wiarda und Professor Frank Ziegele, dem Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung, über Chancen und Risiken der vier Entwicklungshorizonte diskutiert.

Der zweite Tagungstag begann mit einem Vortrag „Von der Zukunftsvision zur visionären Zukunftsplanung“, in dem Professor Philipp Pohlenz von der Universität Magdeburg auf die eher kurze Zeitspanne von zehn Jahren für die Umsetzung der vier Szenarien verwies. Pohlenz stellte das Instrument der „Ex-ante-Evaluation“ vor, durch das mittels Definition von Wirkungshypothesen und der Identifikation von Einflussfaktoren im Vorfeld die Belastbarkeit von Zukunftsszenarien bewertet werden könne. Die Modellierung von Wirkungsgefügen erlaube reflektierte Rückschlüsse auf die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein konkretes Zukunftsszenario für die Hochschulwelt tatsächlich werde eintreten können.

Anschließend entwickelten die Tagungsteilnehmer:innen in einer dritten kollaborativen Arbeitsphase zu den vier Entwicklungshorizonten geeignete Umsetzungsmaßnahmen, darunter beispielsweise Nachhaltigkeitskonzepte, Plattformen für Weiterbildungsangebote oder auch akkreditierte Microcredentials. In verschiedenen Kurzvorträgen wurden schließlich aktuelle Trends der Hochschulentwicklung beleuchtet. Yasmin Djabarian vom Stifterverband bzw. Hochschulforum Digitalisierung stellte beispielsweise die kollaborative Entwicklung von Changemaker-Szenarien vor. Michael Gaebel von der European University Association berichtete in einem Vortrag „Attracting Skills and Talents to the EU“ über die Sorge an vielen, doch längst nicht allen europäischen Hochschulen über die Auswirkungen des demografischen Wandels und die von diesem induzierten Transformationsprozesse. Die gelungene Leipziger Tagung des HRK-Modus-Projekts wies mit ihren bestens vorbereiteten und sehr konsequent durchgehaltenen kollaborativen Formaten und lebhaften Diskussionen auch vor dem Hintergrund verschiedener Publikationen der vergangenen Jahre wie der AHEAD-Studie von FiBS und HIS-HE („Internationales Horizon-Scanning: Trendanalyse zu einer Hochschullandschaft in 2030“) oder Frank Ziegeles und Ulrich Müllers Band „Die authentische Hochschule“ zur zukunftsfähigen Profilierung von Hochschulen Wege zu einer frühzeitigen Vorbereitung der Hochschulen auf neue Herausforderungen in den Bereichen Mobilität und Durchlässigkeit. Die Beiträge der Tagung sollen in Kürze in einer Veranstaltungsdokumentation auf der HRK-Website bereitgestellt werden.


Bildquelle: hrk-modus.de


Dr. Klaus Wannemacher