Autorin: Christiane Fuchs
Brandschutz, Barrierefreiheit und jetzt noch die Nachhaltigkeit? Der Hochschulbau muss sich ständig neuen Herausforderungen stellen. Der Blog bietet einen Ausblick auf die Gemeinsamkeiten der aktuellen Anforderungen bei der Errichtung einer zukunftsweisenden Hochschule. Ein Plädoyer für die Barrierefreiheit im Sinne einer nachhaltigen Hochschulentwicklung.
Was gehört langfristig zu einer barrierefreien Lern- und Forschungsumgebung? Die im Baubereich in diesem Zusammenhang verwendeten Begriffe wie „rollstuhlgerecht“ oder „altersgerecht“ sind schon lange KEINE Synonyme mehr für Barrierefreiheit. Es geht um mehr!
Die umfassende Definition der Barrierefreiheit im Gesetz nach Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) gilt für „bauliche und sonstige Anlagen“.
Für den Hochschulbau sind das:
- die Hochschulgebäude einschließlich Campus,
- die öffentlichen „Verkehrsmittel“, über die die Hochschule erreicht werden kann,
- „technische Gebrauchsgegenstände“, mit denen die der Hochschule ausgestattet ist,
- „Systeme der Informationsverarbeitung“, z.B. um an die Lehrinhalte zu gelangen,
- „akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen“, wie Durchsagen, Farbleitsysteme etc…
Die Kriterien, die für Barrierefreiheit erfüllt sein müssen, sind
- „…für Menschen mit Behinderung auffindbar, zugänglich und nutzbar sind…in allgemein üblicher Weise…“. Dies ist nicht der oft barrierefrei nachgerüstete Hintereingang.
- „…ohne besondere Erschwernis…“. Demnach ohne Erfordernis einer vorausgehenden Anmeldung zur Nutzung eines Hilfsmittels, wie z.B. einer Hebebühne.
- „…grundsätzlich ohne fremde Hilfe…“. Jede Person soll das Gebäude selbständig betreten und notwendige Informationen erhalten können.
Dieser Passus zur Barrierefreiheit wurde in den Bauordnungen der Länder meist wortwörtlich übernommen. Nordrhein-Westfalen dagegen hat in seiner Bauordnung z.B. noch den Zusatz „für ALLE Menschen, insbesondere für Menschen mit Behinderungen“ ergänzt. Denn für 10% der Menschen ist Barrierefreiheit unerlässlich, für 30 % notwendig und für 100% ein höherer Komfort. Eine stetig alternde Gesellschaft heißt langfristig ein erhöhter Bedarf an barrierefreien Lösungen.
Wie realistisch ist also die Forderung, dass jeder Standort eine Hochschule für ALLE werden kann?
Diese Ausführung verdeutlicht um welche allumfassende Aufgabe es sich bei der Errichtung einer barrierefreien Hochschule handelt. Und da liegt eine der Gemeinsamkeiten mit der Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit betrifft NICHT nur die Bauweise und die verwendeten Materialien, die ressourcenschonend und langlebig einzusetzen sind.
Nachhaltigkeit gibt es nur barrierefrei! Eine Hochschule, die nicht barrierefrei ist, kann auch nicht nachhaltig sein. Es geht um langfristige Lösungen für den Standort sowie ihre Nutzerinnen und Nutzer. Jedes Gebäude muss sich demnach langfristig den wandelnden Begebenheiten, Anforderungen und Entwicklungen anpassen können.
Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit haben viele Gemeinsamkeiten, denn sie
- sind Bestandteil eines strategischen Gesamtkonzepts,
- müssen von Anfang an im Planungsprozess mitgedacht werden,
- stellen langfristige Lösungen dar,
- können step by step mit jeder Einzelmaßnahme erweitert werden,
- betreffen die gesamte Gesellschaft, denn Wissenschaftsstandort mit ihren Forschungsbauten prägen eine gesamte Region.
Bauen mit Barrieren ist gesellschaftsfeindlich und in keiner Weise nachhaltig! Auch im Hochschulbau kennt jeder und jede die Teil- oder Kompromisslösungen! Barrierefreiheit sehenden Auges erst nachträglich im Rahmen von Umbaumaßnahmen und Sanierungen zu erreichen und nicht in jedem Neubau von vornherein umzusetzen, ist fahrlässig und bewirkt unnötig höhere Folgekosten bzw. eine zeitliche Kostenverschiebung. Es gilt das ewige Vorurteil, dass Barrierefreiheit teuer ist, auszuräumen. An dieser Stelle kommt die Nachhaltigkeit ins Spiel, denn Nachhaltigkeit heißt jede Ressource JETZT richtig einzusetzen.
Hochschulen als unbeschwerte Lernumgebung müssen nicht nur baulich, sondern auch sozial und ökonomisch nachhaltig sein. Größte Herausforderung sind hierbei die sich stetig wandelnden Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer.
Was macht eine zukunftsweisende Hochschule aus? Das Aneignen von Wissen geschieht in anderen Ländern längst nicht mehr im Hörsaal beim Frontalunterricht, sondern vielfach an den „Schnittstellen“ des Wissenschaftsstandortes oder anderen öffentlich zugänglichen Orten. Anspruchsvolle Bauten für die Wissenschaft werden für die Zukunft und somit auch für zukünftige Generationen von Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gebaut.
Welche baulichen Ziele verfolgt die barrierefreie, nachhaltige Hochschule? Sie soll das Wohlgefühl fördern sowie das informelle Lernen und Forschen ermöglichen und stärken.
Nur so ist die allgemeine und gleiche Teilhabe ALLER Menschen zu ermöglichen. Gerechtigkeit werden wir nicht erreichen, aber Gleichheit bei gleichzeitiger Förderung der Vielfalt.
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