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Arbeitswelt Hochschule

Neue Lernwelten für das Philosophicum der JGU Mainz

Wie viele Hochschulen, steht auch die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) vor der Aufgabe, ihren über Jahrzehnte gewachsenen Flächenbestand den Herausforderungen kompetenzorientierter Lehre und fortschreitender Digitalisierung anzupassen. Klassische Lehrräume wie Hörsäle und Seminarräume werden kommunikativen, kollaborativen und kreativen Elementen in Lehre und Lernen auf längere Sicht nur noch unzureichend gerecht, was ein Überdenken bestehender Raumstrukturen und eine gezielte Schwerpunktsetzung in der Neustrukturierung von Flächen und Räumen erforderlich macht.

Die JGU hat sich daher entschlossen, im Zuge der Sanierung des in den 1960er Jahren errichteten Philosophicums innovative und zukunftsorientierte Lehr- und Lernflächen zu verwirklichen. In diesem Zusammenhang wurde HIS-HE mit der Entwicklung eines Konzepts für zukunftsfähige Lehr-Lernräume für den 1. Bauabschnitt beauftragt. Mit Hilfe partizipativer und interdisziplinärer Planungsprozesse sollten die betreffenden Flächen vielfältig, aktivierend und flexibel aus- und eingerichtet werden. Insbesondere eine Vielfalt von Lehrräumen und ein Zusammenspiel von virtueller und physischer Lehrraumgestaltung wurden dabei als Aspekte gesehen, die für eine zukünftige Lehr-Lernwelt prägend sind.

Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, schauten wir uns zunächst den Gebäudebestand vor Ort genauer an. Dabei fiel sofort auf, dass die breiten Flure des Philosophicums viel Raum für eine zusätzliche Nutzung als Orte der Begegnung und des Lernens aufweisen. Begeistert vom vorliegenden Potential machten wir uns daraufhin gemeinsam mit Vertreter:innen des Dezernats Bau- und Liegenschaftsmanagement und den Baubeauftragten für Studium und Lehre an die Planung zweier Workshops: Der erste hatte zum Ziel, eine Vorstellung von der Lehre der Zukunft zu entwickeln und zu ermitteln, welchen künftigen Rahmenbedingungen die neuen Lehr- und Lernräume gerecht werden müssen. Der zweite ging der Frage nach, wo und wie in Zukunft studentisches Selbstlernen stattfinden wird und diente dazu, die hierfür erforderlichen Raumstrukturen zu ermitteln. Insgesamt war uns eine multiperspektivische Herangehensweise an das Querschnittsthema Flächenplanung wichtig, so dass Studierende, Lehrende und Projektteam die beiden Workshops gemeinsam absolvierten.

Um alle auf das gleiche Informationslevel zu bringen, erfolgte zu Beginn des Workshop I ein kurzer fachlicher Input. Danach ging es in die erste Arbeitsphase, in der in Anlehnung an das World Café-Format fünf Fragestellungen zum zukünftigen Lehren an der JGU bearbeitet wurden. In der zweiten Arbeitsphase erfolgte dann seitens HIS-HE eine kurze Vorstellung vielfältiger Lehr- und Lernraumtypen in Form verschiedener Raumsteckbriefe. Die Teilnehmenden waren aufgerufen, diese in Arbeitsgruppen zu insgesamt vier individuellen Raumportfolios zusammenzufassen. Diese vier Raumportfolios führten wir im Nachgang der Veranstaltung zu einem Raumkonzept für die zukünftigen Lehrräume zusammen.

Workshop II hatte zum Ziel zu ermitteln, unter welchen Rahmenbedingungen Studierende die Selbstlernflächen am Philosophicum aufsuchen und welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nutzung vorliegen sollten. Hier bedienten wir uns zunächst der Customer Journey-Methode, um einen Eindruck von den Nutzungsgewohnheiten der Teilnehmenden in Bezug auf den Campus zu gewinnen und diese gemeinsam zu betrachten. Dann ließen wir auch hier Raumportfolios erstellen, um so die gewünschten Flächen und Räume näher bestimmen zu können. In einer dritten Arbeitsphase ging es schließlich an die Planung der räumlichen Umsetzung. Die Teilnehmenden waren aufgerufen, in zwei Gruppen die zuvor erstellten Raumportfolios zusammenzufassen und auf dem Grundriss des Gebäudes zu verorten. Im Anschluss an die Veranstaltung führten wir die beiden Gestaltungsvorschläge zu einem zusammen.

Die Ergebnisse beider Workshops sowie eine Auswertung der hochschulischen Strategien zu Lehre, Lernen und Digitalisierung und von Vorarbeiten der studentischen Gruppe Gutenberg Changemaker flossen dann in das Gesamtkonzept Lernwelten Philosophicum ein. Dieses stellt perspektivisch dar, wie eine zukunftsfähige Aufstellung der Lehr-Lernflächen im Philosophicum aussehen kann. Dazu gehört vor allem auch eine gewisse Flexibilität in Technik und Raumnutzung und die Möglichkeit, lebensweltliche Belange der Nutzer:innen abzubilden. Dies betrifft sowohl das Bedürfnis nach Begegnung und Austausch als auch eine durch diverse Lebens- und Arbeitsumstände gesteuerte Nutzung. Im Hinblick auf die Anforderungen der Klima- und Energiekrise kommt einem bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Fläche dabei besondere Bedeutung zu.

Drei zentrale Erkenntnisse nehmen wir aus dem Projekt mit, die sich unserer Ansicht nach auch auf andere Hochschulen übertragen lassen:

  1. Veränderte Lehr- und Lernmethoden, ein erhöhter Grad der Digitalisierung und ein verändertes Mobilitätsverhalten führen zu einer, im Vergleich zu Vor-Pandemie-Zeiten, modifizierten Nutzung des Campus. Die Ergebnisse der Workshops spiegeln die große Bedeutung der physischen Hochschule sowohl als Lern- als auch als Aufenthaltsort wider. Ihre Funktion als ein Ort von Kommunikation und Begegnung nimmt dabei zu. Wichtig ist, dass dies räumlich widergespiegelt wird!
  2. Der Umgang mit Bestandsgebäuden ist herausfordernd. Im Fokus steht die Frage, wie sich gefestigte Raumstrukturen neuen Anforderungen anpassen lassen. Dabei spielt eine Aktivierung bisher ungenutzter Bereiche wie z. B. Flure, Foyers oder Außenbereiche eine große Rolle.
  3. Lehre und Lernen finden nicht immer nur innerhalb der dafür vorrangig vorgehaltenen Räume statt. Auch Flächen außerhalb klassischer Lehrräume wie z. B. Team-Rooms, Lernboxen oder Learning-Cafés bieten sich z. B. für Breakout Sessions an und sollten mitgedacht werden. Insgesamt kommt es so zu einem Verschwimmen der Kategorien Lehr- und Lernflächen.

Bildquelle: Eigene Aufnahme/HIS-HE