Im so genannten Coronasemester wurde das Prüfungsmanagement an Hochschulen vor neue und vor allem kurzfristig zu lösenden Herausforderungen gestellt. Auch im derzeitig laufenden Semester stehen organisatorische wie rechtliche Fragen zur Durchführung von Prüfungen weiter auf der Tagesordnung. Wie auch meine KollegInnen in der Befragung unter den Hochschulleitungen festgestellt haben, ist der größte Entwicklungsbedarf mit Abstand bei der Rechtssicherheit für neue Lehr- und Prüfungsformate sowie bei der Studien- und Prüfungsorganisation auszumachen gewesen (als Publikation abrufbar über his-he.de, S. 5).
Die Beschäftigung mit organisatorischen und rechtlichen Fragen zur Prüfungsdurchführung – welche Prüfungsformaten können angeboten werden, wie kann Anwesenheit oder Täuschung bei möglichen Distanzprüfungen überprüft werden, wie können die technischen Rahmenbedingungen sicher und stabil gestaltet werden etc. – hat an jeder einzelne Hochschule stattgefunden und in vielen Prüfungsämtern sowie Rechtsabteilungen Unklarheiten, Unbehagen ggf. sogar Entsetzen ausgelöst: denn prüfungsrechtliche Spielräume wurden mitunter doch sehr weit gedehnt. Die Einbindung, Vorstellungen und Erwartungen der vielen Akteure, vom einzelnen Lehrenden, über Hochschulverwaltung und Supporteinrichtungen bis hin zu den Ministerien, machte die Klärung von kurzfristig zu schaffenden verbindlichen und rechtssicheren Prüfungsbedingungen nicht einfacher. Und dabei ist die Perspektive der Studierenden noch gar nicht berücksichtigt. Kann in der Lehre in vielerlei Hinsicht etwas experimenteller vorgegangen werden, ist bei den Prüfungen der Rechtsrahmen einzuhalten und die Auswirkungen für die Studierenden wirken langfristig und folgenschwerer.
Einen Eindruck über die zu meisternden Herausforderungen gibt der Artikel „Corona und die Flucht nach vorn beim Prüfen“ von der Technischen Universität Dresden, erschienen in der Zeitschrift Forschung und Lehre im Oktober 2020. Es wird deutlich, Prüfen im Ausnahmesemester ist gelungen – unter erheblicher Anstrengung zwar und nicht immer „elegant“ – aber es besteht weiterhin Entwicklungs- und Optimierungspotenzial und es bleibt abzuwarten, welcher Nutzen auch langfristig aus der ad hoc Flexibilisierung gezogen werden kann.
In jedem Fall weitet sich seit dem Start der Corona-Krise die Nutzung von unterschiedlichen Formen des digitalen Prüfens an deutschen Hochschulen aus und die sinnvolle Unterstützung etablierter Lern- und Prüfungsszenarien durch digitale Elemente wird sich weiter entwickeln. Rechtssicherheit muss dabei jedoch schnellstmöglich hergestellt werden. Ein Interview mit Prof. Dr. Rolf Schwartmann zeigt noch im September 2020 die Rechts(un)sicherheiten auf und stellt insbesondere auch den Zusammenhang zum bzw. die Bedeutung des Datenschutzes heraus: „Die Gerichte müssen das Prüfungsrecht und aufgrund der elektronischen Datenverarbeitung das Datenschutzrecht der DSGVO und der Länder prüfen. Von der Datenerhebung im Rahmen von Prüfungen bis hin zur genutzten Software ist für Hochschulen einiges zu beachten, wenn sie vor Gericht bestehen wollen.“ (https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/interview-rechtsunsicherheit-online-pruefungen[1]).
In Bayern wurde dann im September 2020 die Regulierung elektronischer Fernprüfungen vorangetrieben. Mittels der Verordnung zur „Erprobung elektronischer Fernprüfungen an den Hochschulen in Bayern“ (BayFEV) werden die Hochschulen des Freistaates rückwirkend zum 20. April „mit einer einheitlichen Regelung für alle Prüfungen, die elektronisch und ohne Vorgabe eines bestimmten Prüfungsortes durchgeführt werden“ unterstützt.
Die rechtliche Auseinandersetzung mit sowie allgemeine Erfahrungen zu Prüfungen im Coronasemester waren in den letzten Monaten auch Inhalte von Konferenzen sowie der Fokus einzelner Beiträge bei Veranstaltungen. Zum Beispiel befasste sich eine Tagung vom Verein zur Förderung des deutschen und internationalen Wissenschaftsrechts e.V. im Oktober 2020 mit aktuellen rechtlichen Fragestellungen bezüglich Lehre und Prüfungen in der Coronazeit. Fokus lag hier auf dem Prüfungsrecht im Hinblick auf Online-Prüfungen sowie eben auch auf datenschutzrechtlichen Aspekten. Eine Zusammenfassung gibt Karoline Haake in einem Tagungsbericht. Aufgrund der hohen Nachfrage wird diese Tagung am 15. Januar 2021 wiederholt. Anmeldungen können derzeit über die Website des Vereins erfolgen: https://www.verein-wissenschaftsrecht.de/veranstaltungen/prfungsrecht-2021-online.html.
Bereits im September 2020 berichtete Prof. Dr. Manfred Paul von der Hochschule München auf der Herbsttagung des Vereins der Zentren für Kommunikationsverarbeitung in Forschung und Lehre (ZKI) von den Erfahrungen mit „Prüfungen in Zeiten von Corona“. Themen waren die Flexibilisierung der Prüfungsformen, der Einsatz von Videokonferenzsystemen (Zoom und BigBlueButton) und Moodle sowie digitales Prüfen mit EXaHM (Examination System at Hochschule München).
Im November 2020 fand noch das e-Prüfungs-Symposium der RWTH Aachen als Online-Tagung statt. Über die Website https://e-pruefungs-symposium.de/programm/ können die verschiedenen Vorträge heruntergeladen werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation wird deutlich, dass die Unterstützung durch Prüfungssysteme, Learning Analytics sowie allgemein der Umgang mit E-Prüfungen an Bedeutung gewinnt.
Ganz aktuell stellt auf der Webseite des Hochschulform Digitalisierung Markus Scholz vom Zentrum für multimediales Lehren und Lernen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg „Schlussfolgerungen zur Ausgestaltung von Prüfungsplattformen vor“[1]. Darin geht er auf Aspekte ein, die mit Blick auf summative Prüfungen zu beachten sind, die schriftlich durch digitale Prüfungsplattformen unterstützt werden, wie die Eignung von Lernmanagementsystemen als Prüfungsplattform, die Unterstützung von neuen Prüfungsformaten (z.B. Take-Home-Klausuren), Authentifizierungsmöglichkeiten, Anpassung von Prüfungsaufgaben und Klausurformaten und die Beaufsichtigung von Prüfungen von zu Hause.
Diese kleine Sammlung von Themen stellt nur einen kleinen Ausschnitt aus der Vielfalt an Aspekten und Fragestellungen des Prüfungsmanagements dar und wird uns in nächster Zeit sich noch öfter beschäftigen und weiter ergänzt werden.
[1] Dieser Text steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International – CC BY-SA 4.0
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