Im November war ich eingeladen bei der 6. Auflage der Steelcase Veranstaltung Campus der Zukunft eine Keynote über die Zukunft hochschulischer Lern- und Arbeitsumgebungen zu halten. Was für eine Aufgabe angesichts der dynamischen Entwicklungen in allen Bereichen der Hochschule! Die Art und Weise, wie an Hochschulen gelernt, gelehrt, geforscht und gearbeitet wird, verändert sich rasant und ist unter anderem getrieben von Themen wie KI, New Work, Internationalisierung und Individualisierung. Wo also anfangen? Eine Annäherung gelingt zunächst über Megatrends, die eine Art Rahmen darstellen, innerhalb dessen wir uns bewegen. So spielen z. B. Konnektivität, also die Vernetzung auf Basis digitaler Infrastrukturen und die damit verbundenen Kommunikationsstrukturen eine große Rolle in unserer modernen Lebens- und Arbeitswelt. Aber auch der Zugang zu und die Fülle an Wissen, sowie der Umgang mit demselben (z. B. die Kompetenz zu entscheiden, welche Quellen verlässlich sind) sind prägend. Ebenso wie die Themen Gesundheit (psychische Gesundheit ebenso wie gesunde Arbeits- und Lernumgebungen), Individualisierung (z. B. im Bereich von Learning Journeys oder neuen Erwerbsbiografien) oder Neo-Ökologie (hier z. B. das Thema Energie und Gebäude). Besonderen Einfluss hat wohl das Thema New Work, das zunehmend auch für Hochschulen relevant wird. Hier bedarf es z. B. neuer Raumkonzepte, angesichts veränderter Arbeitsweisen und verbreiteten Homeoffices. In diesem Zusammenhang kommen auch die Bemühungen der Länder zur Suffizienz im Hochschulbau zum Tragen. Sie rufen die Hochschulen (in Form länderspezifischer Erlasse) auf, die Ressource Fläche gezielt und sparsam einzusetzen.
Was bedeutet das aber nun konkret für den Hochschulbau?
Zunächst geht es darum, sich des Potentials von Flächen bewusst zu werden und dieses gezielt zu nutzen. Das heißt u. a., für eine gute zeitliche und räumliche Auslastung zu sorgen, Flächen zentral zu steuern, den Bestand zu pflegen und bedarfsgerecht zu bauen. Bisher ungenutzte Flächen (z. B. Flure und Foyers) sollten aktiviert werden, es sollte in der Nutzung von Flächen kooperiert werden und vor allem sollte Fläche nicht länger als Privileg vergeben werden (wie es bisher zum Teil im Rahmen von Berufungen üblich war). Veränderte Lern- und Arbeitsweisen erfordern veränderte Lern- und Arbeitsumgebungen. So ist es auch hier wichtig, ein bedarfsgerechtes Angebot (auf Basis einer Analyse von Auslastung, Arbeitsweisen und Lehrmethoden) zu schaffen. Hier sollten Nutzer:innen unbedingt in den Prozess einbezogen werden. Sie müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie ihre Lerntätigkeit/Arbeit strukturiert ist und sollten in die Lage versetzt werden, unterstützende räumliche Umgebungen für ihre jeweilige Tätigkeit zu wählen. Eine Einrichtung von Hilfsangeboten, wie ein (internes oder externes) Workplace Consulting oder die Begleitung von entsprechenden Prozessen durch in Change Management geschulte Personen, können Erfolgsfaktoren für eine Umsetzung sein.
Der Campus sollte zudem als Ganzes in den Blick genommen werden. Die Hochschule ist Lebenswelt und als solche sollte sie Gesundheit und Wohlbefinden ebenso unterstützen wie Nachhaltigkeit oder Biodiversität. Hier spielt vor allem der Einbezug von Außen- und Naturräumen in hochschulische Konzepte eine große Rolle (z. B. in Form von Erholungs-, Lern- oder Arbeitsflächen im Außenbereich sowie Einrichtungen für Sport und Freizeit). In ihrer Eigenschaft als Ort für alle, sollten Hochschulen einer diversen Studierendenschaft Rechnung tragen, sich aber auch nach außen in die Stadtgesellschaft öffnen. Hier sind vor allem eine gute zeitliche und räumliche Zugänglichkeit, aber auch ein gutes Community Management (z. B. von Co-Working Spaces oder offenen Makerspaces auf dem Campus) wichtig. Darüber hinaus ergeben sich weitere, vor allem organisatorisch geprägte Ansatzpunkte. So ist Raum nicht isoliert, sondern als Querschnittsthema zu betrachten. Entsprechend sollte Fläche Teil der Hochschulstrategie werden. In Kongruenzprüfungen sollten Maßnahmen auf ihren Einfluss auf die räumlichen Strukturen überprüft und bestenfalls entlang eines Leitbildes Fläche entwickelt werden. Bestandsbauten müssen gepflegt und in ihrer Nutzung optimiert werden (Nutzer an Gebäude anpassen, nicht Gebäude an Nutzer). Und im besten Fall kommt weniger Fläche, dafür aber bessere zum Einsatz. Generell könnten die Hochschulen im Rahmen von Umbau oder Sanierung entstehende Zeitfenster zur Umsetzung neuer Konzepte nutzen. Darüber hinaus sollten Zuständigkeiten und Verortung flächenbezogener Projekte geklärt werden (Sind hier die Bauabteilungen Ansprechpersonen? Wie ist die Koordinierung mit Didaktik, Technik und weiteren Einrichtungen geregelt?) Die Stakeholder müssen in den Prozessen mitgenommen werden. Sie kennen ihre Arbeitsweisen am besten und können, wenn ihnen die Bedeutung räumlicher Umgebungen vermittelt wird, vieles zur Findung geeigneter Konzepte beitragen. Um neue Arbeits- und Lernumgebungen zu testen, empfiehlt sich eine Einrichtung von Pilotflächen, die nach einer Testphase evaluiert und nach Bedarf umgestaltet oder angepasst werden können und darüber hinaus geeignet sind, weitere Nutzer:innen auf das Thema aufmerksam zu machen.
Die Hochschulen stehen hier großen Herausforderungen gegenüber, aus denen jedoch die Chance erwächst, gleichzeitig bessere, nachhaltigere und attraktivere Lehr-, Lern- und Arbeitsflächen zu kreieren und auf diese Weise zur Stärkung des physischen Orts Hochschule beizutragen.