Deutsche Hochschulen stehen zurzeit unter dem Druck, Regularien der Bundesländer zur Raumnutzung umzusetzen. Einen suffizienten Umgang mit der Ressource Raum zu etablieren, gilt für sie dabei als Zielvorgabe. Gleichzeitig befindet sich die Arbeitswelt Hochschule im Umbruch: Altbewährte Flächen- und Organisationskonzepte treffen auf veränderte Arbeitsmethoden und tradierte Raumstrukturen auf neue Ansprüche an Flächen und Räume. Warum also nicht beides gemeinsam angehen?!
Der Arbeitsort Hochschule war vor allem im wissenschaftlichen Bereich traditionell schon immer ein Ort größerer Freiheit bezüglich der Wahl von Arbeitszeit und -ort. Diese Freiheit wurde in jüngerer Vergangenheit auch auf den Verwaltungsbereich ausgeweitet und mittlerweile erfreut sich das mobile Arbeiten bei weiten Teilen der Beschäftigten großer Beliebtheit. Entsprechend wurden viele der Regelungen in feste Dienstvereinbarungen zur Arbeitszeit überführt. Parallel dazu hielten neue Arbeitsweisen Einzug an den Hochschulen. Die räumliche Distanz zu Kolleg:innen und Vorgesetzten erfordert eine veränderte Art von Arbeit, aber auch von Führung, die vielerorts mit mehr Eigenverantwortung und größeren Entscheidungsspielräumen der Beschäftigten einher geht. Parallel setzen der Fachkräftemangel und der Kampf um Talente den Hochschulen in ihrer Funktion als Arbeitgeber zu. Sie stehen einerseits in Konkurrenz untereinander, sehen sich aber auch im Wettbewerb mit der Wirtschaft. Zusätzlich vollzieht sich derzeit auf dem Arbeitsmarkt ein Generationenwechsel. Die Hochschulen stehen somit vor der großen Herausforderung, als Arbeitgeber so attraktiv zu sein, dass sie gleichzeitig neue Beschäftigte gewinnen und eine vorzeitige Abwanderung vorhandener Beschäftigter verhindern. Dabei unterliegen sie engeren Rahmenbedingungen als die Wirtschaft. So sind z. B. die Spielräume in der Entlohnung Beschäftigter durch die Tarifbindung enger gesteckt und auch die Ressourcen zur Gestaltung im baulichen Bereich sind limitiert.
Auf Letzteren üben insbesondere die aus der vorherrschenden Klima- und Energiekrise abgeleiteten Handlungsnotwendigkeiten zur Verringerung der CO2-Emissionen Druck aus. Bund und Länder sind hier in jüngerer Zeit aktiv geworden und haben Vorgaben zur effizienten Raumnutzung erlassen, die in vielen Bundesländern auch die Hochschulen betreffen. Ausgehend von der Annahme, dass das Arbeiten im Homeoffice mittlerweile weite Verbreitung an den Hochschulen gefunden hat, wird eine Reduzierung der Arbeitsplätze vor Ort in den Hochschulen angestrebt, um auf diese Weise Flächen und Bewirtschaftungsaufwände zu reduzieren. Diese Zielsetzung gilt derzeit für den (Ersatz-)Neubau, wird aber bereits auch vereinzelt für den Bestand diskutiert. Die Umsetzung dieser Einsparbemühungen sehen derzeit von Bundesland zu Bundesland verschieden aus. Allen Ansätzen gemein ist jedoch, dass aktiv eine Reduzierung der Zahl der Arbeitsplätze angestrebt wird. Dies führt in der Konsequenz zur Notwendigkeit einer Einführung von Desk-Sharing, da nicht mehr für alle beschäftigten Personen zeitgleich Plätze zur Verfügung stehen. Diese Tatsache könnte zunächst auf Widerstand bei den Beschäftigten stoßen, so dass es eines guten Change-Managements bedarf. Die gegenwärtige Situation kann aber auch als günstige Gelegenheit zur Überprüfung von Raumstrukturen verstanden werden. So bestehen Büroflächen derzeit klassischerweise aus Einzel-, Doppel- oder Mehrpersonenbüros. Ergänzt werden diese durch Besprechungsräume und Teeküchen. Diese Strukturen entsprechen dem Bild eines Büros mit vollzeitanwesend Beschäftigten. Vernetzung und informelle Gespräche finden in diesem Setting bei zufälligen Begegnungen auf den Fluren oder an der Kaffeemaschine statt. Einem Anwesenheitsmuster, das für viele Beschäftigte nur zeitweise und anlassbezogene Anwesenheiten vor Ort vorsieht, werden solche Raumstrukturen nicht mehr gerecht. Viele Beschäftigte berichten, sich im Homeoffice besser konzentrieren zu können und wählen dieses, um anspruchsvolle und konzentrationsintensive Arbeiten durchzuführen. Das Büro wird hingegen aufgesucht, um Kolleg:innen persönlich zu sprechen oder gruppenbezogene Tätigkeiten durchzuführen. Genau auf diese Tätigkeiten sind die vorherrschenden Raumstrukturen aber in der Regel nur wenig bis gar nicht ausgerichtet.
Die Art und Weise, wie gearbeitet wird, unterscheidet sich je nach Tätigkeitsschwerpunkt und die Anteile an z. B. Kommunikation, Kollaboration und Stillarbeit variieren im Verlauf der individuellen Tätigkeit, wie auch zwischen den verschiedenen Stellen. Entsprechend liegt es nahe, räumliche Angebote zu schaffen, die Beschäftigte in unterschiedlichen Arbeitsprozessen bestmöglich unterstützen. Um diese Bedarfe zu identifizieren und der Individualität der Arbeitsweisen gerecht zu werden, ist es ratsam, die Beschäftigten in den Planungsprozess einzubeziehen. Dies kann z. B. im Rahmen von Planungsworkshops unter Beteiligung der Nutzer:innen geschehen, in denen die Arbeitsweisen dieser analysiert und gemeinsam mit ihnen auf diese Arbeitsweisen zugeschnittene Raumtypen ermittelt werden. Auf dieser Grundlage kann die Hochschule dann Pilotflächen entwickeln, realisieren und testen. Hierbei muss sie nicht immer grundlegend in die bauliche Struktur eingreifen: die Entnahme einzelner Wände oder das Umwidmen von Bereichen sowie entsprechendes Mobiliar können häufig schon große Effekte erzielen. Ziel sollte immer sein, flexible Raumstrukturen zu kreieren, die sich auch an künftige Veränderungen leicht anpassen lassen.
Die Herausforderungen, denen Hochschulen angesichts der skizzierten Rahmenbedingungen gegenüberstehen, sind groß, doch bergen sie auch großes Potenzial für verbesserte Arbeitsumgebungen bei gleichzeitiger wirtschaftlicherer Nutzung von Ressourcen. Die vorliegenden Rahmenbedingungen stellen somit eine günstige Gelegenheit dar, Veränderungen gezielt in Angriff zu nehmen und sich auf diese Weise gleichermaßen zukunftsfähig wie nachhaltig aufzustellen.
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